An der Kesselsdorfer Straße wiederholt sich unsere Geschichte in Zeitraffer: erst passiert jahrelang nichts, dann werden uralte Pläne aus dem Hut gezaubert (natürlich autofreundlich und mit extremen Fahrbahnverbreiterungen), dann regt sich Widerstand, die Politik wird zu einen Variantenvergleich gezwungen ... und siehe da, es gibt weitaus bessere Möglichkeinten, die Kesselsdorfer wirklich zu einem benutzbaren Boulevard zu gestalten.
All das hat auf der Königsbrücker Jahrzehnte gedauert. Auf der Kesselsdorfer nur paar Monate. Nun aber steht die Entscheidung im Stadtrat kurz bevor - und wie es aussieht, immernoch mit einem vierspurigen Ausbau zwischen Wernerstraße und Rudolf-Renner Straße! Daher haben lokale Bürgerinitiativen für den 26. Oktober von 16:00 bis 19:00 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Stadtplatz (Höhe Kessesldorfer 25) aufgerufen.
Wir als Bürgerinitiative "Königsbrücker muss leben!" sind sehr froh, dass wir als eine der Urmütter der Bürgerinitiativen für eine schöne und moderne Stadt- und Straßengestaltung gefragt wurden, ob wir uns an der Aktion beteiligen wollen. Wir sind sehr dankbar für diese Anfrage und wir werden uns gerne einbringen: um 18:00 Uhr spannen wir unser Straßenbanner über die Kesselsdorfer, um die geplanten Dimensionen der aktuellen Planung anschaulich zu demonstrieren. Die lokalen Initiativen werden dann auch ein Banner spannen, um eine echte "Zeitenwende" in der Stadtplanung einzufordern.
Hintergrund:
Die Kesselsdorfer Straße hat eine sehr lange Geschichte, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht [1]. Lange Zeit war sie eine Verbindungsstraße zwischen Dresden und den Bergbauregionen um Freiberg. August der Starke ließ die "Kesselsdorfer" dann als Postkutschenstraße ausbauen. Napoleon gab ihr später den heutigen "Chaussee-Charakter" - und mit dem wachsenden Dresden wurde die Kesselsdorfer dann im 20. Jahrhundert zu einer wichtigen Geschäfts- und Einkaufsstraße. Gegen Ende des 20. Jahrhundert wurden jedoch die Anzahl der Autos immer mehr, sodass die Kesselsdorfer einen Teil ihres "Wesens" verlohr.
Daher wurde in den 1990er Jahren eine bereits in der DDR vorgesehene Tangente - die Coventrystraße - gebaut. Bereits damals war das Ziel, den Durchgangsverkehr von der Kesselsdorfer wegzuleiten und den "Boulevardcharakter" - und somit die Funktion der Kesselsdorfer als Geschäfts- und Einkaufsstraße - wiederherzustellen. Die Kesselsdorfer sollte ein Begegnungsraum mit Aufenthaltsqualität und urbaner Funktion werden. Hierzu war schon damals geplant, den ersten Teil beginnend an der Tharandter Straße auf ca. 150m als autofreie "Zentralhaltestelle" zu gestalten. Dieser Teil wird glücklicherweise momentan umgesetzt.
Anfang des neuen Jahrtausends (bis 2004) wurde dann der nächste Abschnitt bis hinter die Rudolf-Renner-Straße geplant. Diese uralten Planungen zeigen natürlich die damals übliche einseitige Fixierung auf den Autoverkehr: Überall Autos, große Kreuzungen, verbeiterte Straße (westlich Wernerstraße vierspurig!), schmale Gehwege, kein Platz für Auslagen, Bänke, Fahrradbügel oder Bäume. Und all dies, obwohl die Coventrystraße jetzt einen Großteil des Durchgangsverkehrs übernahm.
Die Planungen von 2004 wurden dann allerdings in die Schublade gelegt. Nichts passierte. Doch plötzlich, im Februar 2018, musste dann alles angeblich ganz schnell gehen. Die alten Planungen sollten innerhalb von einem Monat durch Ortsbeirat und Stadtrat geprügelt werden - ohne die heutigen Bedarfe einzuarbeiten, ohne die Menschen vor Ort zu fragen, ohne große Diskussion.
Wir leben aber in 2018, und die Ansprüche an Stadt- und Verkehrsplanung haben sich stark verändert: Platz, Bäume, Aufenthaltsqualität - ein funktionierendes Ortsteilzentrum - ist heute für die Menschen essentiell. Und so haben sich schnell mehrere Initiativen im politischen und gesellschaftlichen Raum gebildet und gegen die alten Baupläne protestiert.
Mit Erfolg! Der Baubürgermeister hatte die Notwendigkeit einer öffentlichen Diskussion erkannt und eine Einwohnerversammlung einberufen. Ein erster sehr großer Erfolg für die Initiativen. Auf der Einwohnerversammlung wurden die Wünsche sehr deutlich formuliert: autofrei bis Wernerstraße und viel weniger Autos zwischen Werner- und Rudolf-Renner Straße. Insbesondere keine Verbreiterung der Straße auf vier Spuren. Dieses deutliche Zeichen konnte dann auch die Stadtpolitik nicht ignorieren. Der Bauausschuss ließ Alternativplanungen in Auftrag geben, welche die Anregungen der Einwohnerversammlung beinhalteten. Der zweite große Erfolg der Initiativen.
Nun liegen die Ergebnisse der Untersuchungen vor:
1. Eine autofreie Kesselsdorfer bis zur Wernerstraße ist nicht nur möglich, sie ist städtebaulich, verkehrlich und auch für die DVB die beste Lösung. Dies ist ein unglaublicher Erfolg der von den Initiativen eingeforderten Einwohnerversammlung (man fragt sich nur, warum die Stadt nicht von alleine auf diese geniale Idee gekommen ist). Nun gilt es, diese Variante auch politisch durchzusetzen. Die Beschlüsse dazu fallen jetzt im November [2]. Eine Mehrheit im Stadtrat scheint möglich, ist aber noch nicht sicher.
2. Die Vermeidung einer Verbreiterung der Kesselsdorfer zwischen Wernerstraße und Rudolf-Renner-Straße ist ohne "politischen Willen" nicht möglich. Hierzu müsste der Anteil des Durchgangsverkehrs (heute noch ca. 33% aller Autos) weiter gesenkt werden. Dies klingt einfach - ist aber in der in Teilen noch sehr autofixierten Stadt Dresden wirklich keine leichte Aufgabe.
Nun, am 26. Oktober 2018, ist die Forderung der Initiativen und der Menschen bei der Kundgebung: 1) setzt die "autofreie Kesselsdorfer" bis Wernerstraße um! Das ist gut für die Menschen, das ist gut für den Einzelhandel, das ist gut für die Umwelt und das ist gut für die Straßenbahn und den Bus. 2) Senkt den Anteil an Durchgangsverkehr und macht die Kesselsdorfer bis zur Rudolf-Renner-Straße schmaler. Kein vierstreifiger Ausbau!
[1] http://www.dresdner-stadtteile.de/Sudwest/Lobtau/Strassen_Lobtau/Kesselsdorfer_Strasse/kesselsdorfer_strasse.html
[2] http://ratsinfo.dresden.de/to0040.php?__ksinr=7585