Die Philosophie der Straßenplanung hat sich in den letzten Jahren deutschlandweit fundamental geändert. In Dresden freilich kann man dies bislang nur auf Nebenstraßen feststellen. Bei Haupt- und Geschäftsstraßen gilt augenscheinlich immer noch der längst veraltete Grundsatz von "größer, breiter, mehr Asphalt". Dabei ist bei den Baurichtlinien schon seit länger Zeit ein Umdenken zu erkennen. So spricht schon die "Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen" (RASt06) von der Wichtigkeit, die urbane Identität gleichberechtigt zu den verkehrlichen Belangen bei der Planung zu berücksichtigen.
Die neueste Ausgabe der "Empfehlung zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete" (ESG2011) geht noch einen deutlichen Schritt weiter (Co-Autor ist der Dresdner TU-Verkehrsexperte Prof. G.-A. Ahrens):
"Straßen- und Platzräume dienen nicht allein den unterschiedlichen Verkehrsbedürfnissen, sondern prägen als wichtige öffentliche Räume die Eigenart und das Erlebnis der
räumlichen Umwelt. Sie tragen damit zur Identifikation der Bürger mit ihrem
Gemeinwesen bei. Zugleich sind sie Orte für alltägliche Verrichtungen wie
Einkäufe und Schulwege und wichtige soziale Räume der Bewegung und
der Begegnung. In ihnen verbinden sich jeweils unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen an die
Funktion und Gestalt öffentlicher Räume, denen im Straßenraumentwurf Rechnung
zu tragen ist. Der Entwurf von Straßen- und Platzräumen ist daher eine Aufgabe, die sowohl
verkehrsplanerischen als auch städtebaulichen und freiraumplanerischen
Zielsetzungen verpflichtet ist." (ESG2011, S. 5)
Hier steht kein Konjunktiv: ... verpflichtet ist und nicht "ohh, wenn wir mal Lust hätten, dann könnte man auch mal über die städtebaulichen Aspekte sprechen. Bei der Königsbrücker haben wir jetzt aber mal keine Lust!".
Die Königsbrücker ist eine urbane Hauptgeschäftsstraße: Einkaufen, Wohnen, Arbeiten, Parken, Radfahren, Kinderwagen schieben, im Altenheim wohnen, Anliefern, im Cafe sitzen, Flanieren, ...
Und da es leider auch weiterhin starke Bestrebungen gibt, auf der Königsbrücker den wichtigen urbanen Stadtraum für nicht-barrierefreie eigene Gleisbetten der Bahn neben überbreiten Kfz-Fahrspuren zu verschenken, hier die Ausführung der ESG2011 dazu:
"Zur gestalterischen Integration in urbane Straßenräume ist eine
fahrbahnbündige Führung der Gleise zusammen mit dem Kraftfahrzeugverkehr
meist am besten geeignet. Die Gleiszonen sollten in diesem Fall in dem
gleichen Material ausgeführt werden, dass auch für andere Teile
der Fahrbahn verwendet wird, in der Regel also in die Asphaltdecke
eingebunden werden. Die Beschleunigung der Nahverkehrsfahrzeuge
kann unter Umständen durch eine dynamische Staßenraumfreigabe
(Straßenbahn als Pulkführer) sichergestellt werden.
Besondere Bahnkörper steigern die Attraktivität des ÖPNV.
Sie können aber nur bei ausreichender Flächenverfügbarkeit ausgebildet werden." (ESG2011, S. 75)
Auf der Königsbrücker ist an den meisten Stellen einfach kein Platz - wenn man denn nicht unter anderem alle Bäume fällen und alle Vorgärten vernichten will.